“Liebes Coaching” als Lösung?

Die Herausforderung unserer Zeit und “Liebes Coaching” als Lösung?

Neben der Aufrechterhaltung tradierter Verhaltensnormen und Happy-End-Vorstellungen à la RomCom verspricht das Mysterium ehe(ähn-)licher Verbindungen vermutlich immer noch eines: Entspannung in der Idee bedingungsloser Liebe. Es scheint uns leichter zu fallen, uns mit all unseren Wunden und Makeln zu offenbaren, wir selbst zu sein, generell zu sein, wenn wir mit einem Menschen zusammen sind, der sich offiziell - vielleicht sogar auf dem Papier verpflichtet hat, bedingungslos zu uns zu halten. Es setzt Konflikte in einen eingegrenzten Kontext: Sie entstehen innerhalb der Beziehung, nicht über sie. Ein Eldorado für unser psychologisches Grundbedürfnis nach menschlicher Nähe und Liebe. Wie bedingungslos diese Verbindung tatsächlich ist, scheint dabei zunächst nebensächlich.

Perfektionsidee und das Paradoxon unserer Zeit

Die Liebe findet ihre eigene Begründung in der Vollkommenheit des Gegenstandes, der sie anzieht, schreibt Luhmann. Passionierte Liebe beginnt somit häufig als eine Perfektionsidee, die später dekonstruiert und neu erarbeitet wird. Manchmal aber auch nicht. “Can we want what we already have?”, fragt Esther Perel passend dazu und adressiert damit das Paradoxon unserer Zeit, in einer Gesellschaft, in der eine Person vereinen soll, was ein ganzes Dorf einst bereitstellte: bester Freund, Versorger, Objekt der Begierde, Co-Erzieher, intellektueller Sparring Partner und Seelenklempner.

Die neuen Erwartungen an Beziehungen

Während das ganze 18. Jahrhundert die Bemühungen durchzieht, den Code für Intimität von Liebe auf “innige” Freundschaft umzustellen, die in der Intimisierung der Ehe und im Begriff der rationalen Liebe Widerklang findet, leidet das 21. Jahrhundert somit unter einem ganz neuen Phänomen. Ein Phänomen, das Freddy Mercury mit den epischen Worten “I want it all” zu beschreiben vermag und damit Menschenmengen berührt, indem er geradezu „ins Schwarze“ ihrer versteckten Sehnsüchte trifft. Die neue, grenzenlose Zugänglichkeit potenzieller Partner:innen gepaart mit einer gesellschaftlichen Akzeptanz für gescheiterte Beziehungen und Inakzeptanz für all diejenigen, die nicht der gegenseitigen Selbstverwirklichung dienen, proklamiert wohl fast ein Remake. „I need it all“ könnte es heißen und zugleich den Leidensdruck der Millennials und späterer Generationen auf den Punkt bringen.

Dreieckstheorie der Liebe

Das entsprechende psychologische Modell dazu heiĂźt die Dreieckstheorie der Liebe. Es geht davon aus, dass sich die Liebe des Menschen aus den drei Komponenten Vertrautheit, Leidenschaft und Bindung  zusammensetzt, die in Form eines Dreiecks dargestellt werden können. Die vollkommene Liebe setzt voraus, dass alle drei Komponenten erfĂĽllt sind. Sie kann in langfristigen Beziehungen stattfinden, allerdings nur zeitlich begrenzt, da die Komponente Leidenschaft nicht ewig stabil bleibt, heiĂźt es auf Wikipedia.

Die Beziehung als riskante Flugzeugreise - Ein Modell mit Herausforderungen

Vor einigen Jahren ließ ich in einem Artikel einen Vergleich, der mir bis heute im Gedächtnis blieb. Wäre die Ehe ein Flugzeug, resultiere die statistische Misserfolgsrate in einem sofortigen Flugverbot. Über die Vergleichbarkeit der Konsequenzen eines Falls lässt sich sicher streiten. Wohlgleich scheint es nach wie vor die beste Lösung eines Lebensformats, die die Menschheit bisher hervorgebracht hat, wie der kanadische konservativ geschimpfte Psychologe und Psychotherapeut Jordan Peterson stets betont.

Subtrahiert man das formale Konstrukt und damit alle etwaigen damit einhergehenden Erwartungen von Monogamie und Lebenslänglichkeit, so könnte ein kleinster gemeinsamer Nenner von Arbeitstitel lauten: wir helfen einander, ein zufriedenes Leben zu führen, solange wir eben zusammen sind. Was an mythischer Romantik verloren geht, gewinnt die realistische Umsetzbarkeit und Konkretheit hinzu. Und vielleicht ist dies ja ein erster Start. Ein Schritt in Richtung Leichtigkeit, auf deren Basis sich Romantik neu etablieren kann.

Die Beziehungsforschung unterstreicht im Übrigen sogenannte Akteureffekte in Paarbeziehungen: Die eigene Person sagt die eigene Beziehungszufriedenheit stärker vorher als der/die Partner:in. Ein Befund mit interessanten Implikationen.

Bewusste Beziehungen und gemeinsames Wachstum

Ein interessantes Stichwort ist dabei der anglo-amerikanische Begriff Conscious Relationships. Er zeichnet eine Beziehung, in der sich die Partner:innen einem bestimmten Ziel verpflichtet fühlen, und dieses Ziel ist Wachstum. Die Beziehung wird zu einer Reise der Entwicklung, und die Individuen verstehen ihre Vereinigung in der Möglichkeit, sich mehr zu entfalten, als sie es allein könnten. Individuelles Wachstum. Gemeinsames Wachstum als Paar. Manchmal auch kollektives Wachstum, das die Welt zu einem besseren Ort macht.

Hieraus kristallisiert sich wieder mal die Wichtigkeit von Zielvorstellungen, von eigenen Zielen, von gemeinsamen Zielen und die aktive und bewusste Beschäftigungen damit. Präzise Ziele können bereits Lösungsansätze enthalten, sie ermöglichen Lern- und Erfolgserlebnisse und sie geben Orientierung in einer Welt der unendlichen Informations- und Wahlmöglichkeiten.

Coaching als Lösung für die Herausforderungen moderner Beziehungen

In einer Zeit, in der die Anforderungen an Partnerschaften ins Unermessliche steigen, kann Coaching eine entscheidende Rolle spielen. Coaching ermöglicht es Paaren, ihre Beziehungen aus einer neuen Perspektive zu betrachten und realistische, erreichbare Ziele zu setzen. Indem es einen Raum schafft, in dem offene und ehrliche Kommunikation gefördert wird, können Paare lernen, ihre Bedürfnisse und Wünsche klar zu artikulieren. Durch gezielte Übungen und Techniken können Paare ihre Kommunikationsfähigkeiten verbessern, Konflikte konstruktiv lösen und ein tieferes Verständnis füreinander entwickeln. Coaching kann daher helfen proaktiv und präventiv die Dynamik der Beziehung zu erkennen und positive Veränderungen zu initiieren. Coaching kann auch dabei helfen, unrealistische Erwartungen an Beziehungen zu hinterfragen und neu zu definieren. Es ermutigt Paare, eigene Vorstellungen von Glück und Erfüllung zu entwickeln, anstatt sich an gesellschaftliche Normen zu klammern, die möglicherweise nicht zu ihnen passen. Dies schafft Raum für authentische, bewusste Verbindungen, die auf gegenseitigem Respekt und Verständnis basieren.

Persönliches Wachstum innerhalb der Beziehung

Ein weiterer Vorteil des Coachings ist die Förderung des persönlichen Wachstums innerhalb der Beziehung. Paare lernen, sich gegenseitig zu unterstützen und zu ermutigen, ihre individuellen und gemeinsamen Ziele zu erreichen. Dies stärkt den oben beschriebenen “Akteur” Effekt und fördert zudem — durch eine individuelle Zufriedenheit und Erfüllung innerhalb der Beziehung — indirekt die Bindung.

“Liebes Coaching” - geht das?

Insgesamt bietet Coaching eine wertvolle Unterstützung für Paare, die sich den Herausforderungen moderner Beziehungen stellen. Es fördert eine Kultur des Wachstums, der Offenheit und der gegenseitigen Unterstützung und erleichtert es Paaren, eine erfüllte und harmonische Partnerschaft zu gestalten. “Warum nicht probieren” würde ich daher sagen. Ein Flugzeug fliegt man schließlich auch nicht ohne Training…

 

Luhmann, Niklas (1982): Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Perel, E. (2007). Mating in captivity: Unlocking erotic intelligence. New York, NY: Harper.

Vater, A., & Schröder–Abé, M. (2015). Explaining the Link between Personality and Relationship Satisfaction: Emotion Regulation and Interpersonal Behaviour in Conflict Discussions. European Journal of Personality, 29(2), 201–215. https://doi.org/10.1002/per.1993

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Welches Coaching ist das Richtige?