Huber Coaching Berlin

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Was macht man im Coaching?

Wann geht Coaching über das Finden einer Lösung hinaus? Coaching Methodik erklärt.

Ob Business Coaching, Life Coaching oder Führungskräfte Coaching – meist hält man in einem geschützten Raum inne, um sich seiner Veränderungswünsche bewusst zu werden und diese in einem definierten Zeitrahmen umzusetzen. Und doch kann das, was daraus entsteht, so unterschiedlich sein.

Wie verändern wir uns wirklich?

In jedem Coachingprozess geht es darum, das eigene Verhalten, dessen Entwicklung und die Faktoren für dessen Veränderung zu begreifen. Trotz der universellen Natur dieser Prozesse gibt es vielfältige Wege und Ansätze, um zu diesen Erkenntnissen zu gelangen.

Historisch gesehen gab es unterschiedliche Ansätze, um menschliches Verhalten zu verstehen. René Descartes hätte argumentiert, dass die Vernunft die einzige Quelle der Erkenntnis über die Welt und das Seelenleben sei. Im Gegensatz dazu hätte Francis Bacon die Bedeutung der Erfahrung betont. Diese frühen Ansätze des Rationalismus und Empirismus wurden später durch Modelle erweitert, die Gefühle, Empfindungen und subjektive Wahrnehmung einbezogen.

Heutzutage dominieren neurobiologische, kognitive und systemtheoretische Ansätze das Feld, wobei der psychologische Ansatz, der auf dem bio-psycho-sozialen Modell basiert, besonders hervortritt. Dieses Modell versucht, der Komplexität des Menschen gerecht zu werden, indem es verschiedene Perspektiven integriert. Es betrachtet die Psyche als ein interagierendes Geflecht aus Motivation, Kognition, Gefühlen und Verhalten.

Für die Coaching-Methodik bedeutet dies, dass erfolgreiche Coachingprozesse oft multidimensional angelegt sind. Sie berücksichtigen nicht nur gedankliche und rationale Aspekte, sondern auch emotionale und verhaltensbezogene Komponenten. Dadurch wird ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt, der die Vielschichtigkeit des menschlichen Erlebens und Verhaltens reflektiert und nachhaltige Veränderungen ermöglicht.

Unterschiedliche Coachingprozesse

In der Praxis identifiziere ich vor allem drei unterschiedliche Arten von Coachingprozessen. Der erste bewegt sich fast ausschließlich auf einer kognitiven (gedanklichen) Ebene und bringt vor allem eines: Struktur. Die Sitzungen sind oft entlastend, zeitlich kürzer und dienen primär dazu, die eigenen Gedanken im Sinne von Descartes zu sortieren, innerlich aufzuräumen oder zu brainstormen. Vergleichbar wäre diese Art „Dienstleistung“ mit der eines Personalfitnesstrainers. Zwar könnte man das Training prinzipiell auch ohne ihn machen - er schafft jedoch Verbindlichkeit für selbst gesteckte Ziele, gibt Impulse, zeigt Wege auf und rückt gewünschte Veränderungen mehr in den Fokus. Häufig ist er (und das Geld, das man ihm zahlt) der Grund, warum man sich tatsächlich aufrafft, zum Sport zu gehen.

Aufräumen statt Renovierung

Viele KlientInnen wünschen sich diese Art der Begleitung im beruflichen und privaten Alltag: Ein wertfreier Sparring-Partner und einen Raum zum Abladen. Eine selbst indizierte Motivationsspritze, um ins Handeln zu kommen, vereint mit einem extrinsischen Grund, darin zu bleiben. Kritische Stimmen könnten anheben, diese Art des Coachings sei weniger nachhaltig, da sie nicht wirklich zur Veränderung verhelfe. Gleichzeitig mögen sich Menschen mit geringem Leidensdruck und weniger Geduld wohl mit der Idee fühlen, das Haus aufzuräumen, anstatt es zu renovieren.

Interessanterweise arbeitet man dann jedoch oft auf einer Art und Weise, die den Stärken Derjenigen entspricht, die Coaching überhaupt anspricht. Erarbeite ich mit meiner sehr strukturierten Klientin wie von ihr gewünscht einen Zeitplan und potenzielle Herausforderungen, um ihre innere Anspannung hinsichtlich eines neuen Projekts zu reduzieren - dann hilft ihr das sicherlich und lässt sie kurzzeitig entspannen. Bin ich jedoch mit mir und meiner Arbeit als Coach im kritischen Austausch, stelle ich vermutlich fest, dass die Klientin wahrscheinlich selbst auf ähnliche Ergebnisse käme, wenn Sie sich bewusst hinsäße und an selbiger Sitzungsfrage allein arbeite.

Manchmal vergessen wir, was wir alles im Stande sind zu beantworten, wenn wir uns nur die Fragen, die wir haben, ernsthaft selbst stellen würden.

Vielleicht könnte man die Klientin mit einer neuen Zeitmanagementmethode noch etwas begeistern und die aktive Beschäftigung mit der Thematik erreichte, dass sie zufrieden aus der Sitzung ginge. Wäre diese Art der Strukturierung allerdings eine Strategie, die ihr auf Ihrem Lebensweg bis hier hin hinreichend geholfen hätte, um mit der inneren Anspannung in Stressmomenten zufriedenstellend umzugehen, würde Sie damit wahrscheinlich nicht ins Coaching kommen.

“Tiefgreifendere Coachingprozesse” - Der Weg zur Einsicht

Coachingprozesse können jedoch tiefgreifender ansetzen. Die Coachingsitzungen könnten dazu dienen, die Schemata und Glaubenssätze zu identifizieren, die für die innere Anspannung überhaupt ursächlich sind. Das Coaching bedient sich hier am Herzstück kognitiver Therapie. Man versucht, alte automatisierte Erlebens- und Verhaltensmuster bewusst zu machen und zu reflektieren. Die ideale Folge: verstandesmäßige Einsicht. So könnte das Coaching für die beispielhafte Klientin besonders wirkungsvoll sein, wenn es Perspektiverweiterungen anbietet, die die Klientin von sich aus nicht einnehmen würde. Biografische Zusammenhänge werden gesucht, „Überlebensformeln“ aufgestellt, kurz- und langfristige Konsequenzen erarbeitet oder innere Antreiber und Anteile hinterfragt. Schnell befindet man sich inmitten der Psychotherapie. Dieser Coaching Trend kann auch Gefahren bergen - insbesondere, wenn man die beruflichen und akademischen Hintergründe vieler Coaches betrachtet.

Klärung und Selbsterkenntnis

Diese Klärung (auch oft: motivationale Klärung) über das eigene Erleben und Verhalten ist aktueller Coaching-Forschung nach übrigens ein wichtiger Wirkfaktor im Coaching. Das heißt, ein Faktor, der Studien zufolge zum Erfolg des Coachings beiträgt. Sich über sich selber klarer zu werden und die bewussten und unbewussten Ziele und Werte zu erforschen, die dem eigenen Erleben und Verhalten zugrunde liegen, bringt Sie näher an Ihr Ziel. Oder eher: resultiert in einer Neudefinierung des Ziels. „Ich möchte mich gut und wertvoll fühlen, unabhängig von dem, was ich leiste“, könnte ein solches Ziel im Falle meiner imaginären Klientin heißen. Kognitiv hat die Klientin begriffen, dass sie die wenig hilfreiche Erwartung an die Zukunft hat, dass Liebe und Anerkennung an ihre Leistung geknüpft sind. Klassischerweise erkennt die Klientin vielleicht, dass sie von der dünnen Datenbasis ihrer bisherigen Erfahrung im Elternhaus auf die Zukunft extrapoliert und ihr Wert faktisch nicht durch ihre Leistung bestimmbar ist. Inhaltlich enden hier viele Coachingprozesse.

Vom Meilenstein zur tiefen Veränderung: Warum Einsicht erst der Anfang ist

Was meiner Meinung nach verkannt wird: Was sich wie ein Meilenstein der Erkenntnis anfühlt, ist häufig erst der Beginn eines Prozesses. „Ich verstehe es, aber ich fühle es nicht“, könnte meine Klientin daher irgendwann - vermutlich bei einem Erstgespräch für ein neues Coaching - beklagen. Spätestens hier wird klar: Die Klientin wünscht sich eine Renovierung, keine Reparatur. Sie möchte das Grundproblem lösen. Erst recht hilft es ihr nicht, das Haus aufzuräumen. Es geht darum, die kognitiven Erkenntnisse in die Erfahrungsrealität der Klientin zu bringen. Doch wie?

“Ich tue und ich verstehe”

Zunächst braucht ein erfolgreicher Veränderungsprozess nach der Entscheidung, etwas zu ändern, ganz viel tatsächliche Verhaltensänderung. Die Klientin trainiert sich im Loslassen dieses Selbstwertbegriffs und der Transzendenz der kulturell angeeigneten kapitalistischen Vorstellung, dass wir einen Wert für Menschen bestimmen könnten. Verhaltensexperimente und sogenannte Expositionen schaffen korrektive Erfahrungen. In anderen Worten: Die Klientin erlebt die natürlichen Konsequenzen des neuen Verhaltens. Diese müssen wahrgenommen und integriert werden. Wieder und wieder. Was hilft, sind außerdem sogenannte analoge und emotionsfokussierte Techniken. Durch diese Art der Coachingarbeit fördern wir emotionale Tiefe, machen Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen erfahrbar und damit auch ihrer Entscheidungsmöglichkeit zugänglich. Empirisch lässt sich dies durch das Erleben einprägsamer Coachingerlebnisse bzw. einer sogenannten Affektaktivierung und -kalibrierung als nachweisbare Wirkfaktoren von Coaching erklären (Behrendt, 2006). Was kryptisch klingt, kennen wir alle: So oft erleben wir bereits im Alltag, wie wir manche Dinge erst dann wirklich lernen und Verhaltensmuster ändern, wenn wir die daraus resultierenden „Kosten“ einmal gespürt haben. Es hilft leider nicht, wenn wir jemand anderes davon berichten hören. Oder wie bereits Konfuzius sagte:

„Ich höre und ich vergesse. Ich sehe und ich erinnere mich. Ich tue und ich verstehe.“

Kognition, Emotion und Verhalten: Der ganzheitliche Ansatz im Coaching

Manchmal sind wir so sehr in unserem logischen Denken und unseren Rationalisierungen verfestigt, dass wir gar keinen wirklichen Zugang zu unseren Emotionen, Körperempfindungen und tiefergehenden Gefühlen haben. Bei manch anderen ist es genau andersherum. Sie fühlen viel und verstehen wenig. Innere Klarheit und Veränderung entstehen jedoch auf allen drei Ebenen: Kognition, Emotion und Verhalten. Coaching dreht optimalerweise an allen drei Stellschrauben.


Behrendt, P. Wirkung und Wirkfaktoren von psychodramatischem Coaching — Eine experimentelle Evaluationsstudie. ZPS 5, 59–87 (2006).

Greif, S., Schmidt, F. & Thamm, A. Warum und wodurch Coaching wirkt. Organisationsberat Superv Coach 19, 375–390 (2012).